Tanzschule forever

By Stadtsalat - december 01, 2017

Mein Sohn tanzt.
Er kennt dabei im Wesentlichen drei Moves.
Nach vorne, nach hinten und im Kreis.
Alle werden ausgeführt, bis er umfällt oder gegen einen harten Gegenstand läuft.
Er tanzt sie zu allen Musikstücken, kann es aber auch ohne. Im Wesentlichen ist es ihm egal, zu welcher Musik er nicht im Takt ist.
Meine private Studienreihe zu diesem Thema hat ergeben, dass sich an diesem, beinahe idealtypischen männlichen Tanzstil, wahrscheinlich in den den nächsten 75 Jahren nichts mehr ändern wird.
Und das, obwohl meine Studienobjekte wahrscheinlich alle das zweifelhafte Vergnügen hatten, zu einer Tanzschule zu gehen.
Wobei das aber nicht unbedingt heisst, dass dann dort auch getanzt wurde.
Mindestens 25% der Teilnehmer verschwanden direkt in den Keller, um dort vor der Herrentoilette zu rauchen oder aus ihrem EastPak ein Bier zu zaubern.
Der Rest der verpickelten Jugendlichen schob sich mit schwitzigen Händen über das Parkett und hoffte, dass die Stunde doch möglichst schnell vorbei wäre.
Was hängen blieb ist, dass eigentlich aus jedem Top- ten Hit ein schreckliches Tanzschulmedley gebastelt werden kann, dass man sich auf einer Tanzfläche nur sehr schlecht verstecken kann und, dass es für Sport vor einer Spiegelwand ein übermenschliches Selbstvertrauen braucht.
Eigentlich ist es ein Wunder, dass trotz dieser traumatischen Erfahrungen überhaupt noch getanzt wird.
Böses Erwachen gibt es zur jeweils eigenen Hochzeit. Wenn die Gattin mit funkelnden Rehaugen darum bittet, dass man doch einen Hochzeitswalzer tanzen möge oder- oh Schreck, oh Schreck- gleich eine ganze Tanzperformance das anwesende Publikum entzücken möge.
Qualvolle Übungsstunden mit unmenschlichen Bewegungsabläufen und Figurkombinationen werden in stets schnellerer Frequenz vor dem grossen Tag in den Terminkalender geschoben. Gequältes Lächeln des Tanzlehrers und des Trauzeugen machen klar, dass jahrelange Versäumnisse nicht in einer Woche aufzuholen sind.
Um atmosphärischen Störungen mit der Angetrauten zu entgehen, wird alles gegeben.
Am Tag der Hochzeit selbst ist alles wieder Tanzschule.
Die coolen stehen draußen und rauchen, während der Bräutigam mit schwitzigen Händen auf dem Parkett steht.
Nur, dass es diesmal keine Spiegelwand gibt sondern einem die Schwiegermutter auf die belackschuhten Füße schaut. Genau wie der Rest der Hochzeitsgesellschaft. Man spürt instinktiv: Dies ist es. Die große Möglichkeit sich vor allen seinen Freunden und Kollegen als verkannter Fred Astaire zu outen.
Oder doch wieder die drei Moves auszupacken.

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