Bastelhölle

By Stadtsalat - december 13, 2017

Wenn man dachte, man braucht nicht viele Sachen, wird man ab dem Augenblick eines Besseren belehrt, in welchem man Kinder in die Welt setzt. Meistens von Leuten, die es sehr, sehr gut mit einem meinen. Oder anscheinend in einem Spielwarenladen eine ausserkörperliche Erfahrung gemacht und währenddessen das gesamte Sortiment aufs Band geknallt haben.
Manchmal hat man das Gefühl, dass man unter eine sich auskippende Baggerschaufel voller Spielkram gebeamt worden ist.
Verzweifelt versucht man gegen den Strom zu schwimmen, rudert mit schlappen Aermchen hilflos durch eine Herde Kuscheltiere, vorbei an mehreren Kubikmetern Briobahn, um sich dann spätestens bei tonnenschweren Aufklebersammlungen, entkräftet im Strudel nach unten ziehen zu lassen.
Ein letztes Mal wendet sich das Auge suchend gen Himmel, um noch ein kleines Stück vom Blau zu erhaschen, während eine Armada Einhörner, mit stumpfen Blick aus der Schaufel fallend, auch die letzte Lücke verschließt.

Wenn man also völlig wehrlos ist, wird einem doch irgendwann auffallen, dass abgesehen von der schieren Menge, noch etwas anderes das Blickfeld stört: Das fein austarierte Gleichgewicht der Designermöbel, jahrelang mit Muse aufgebaut und Zeuge unendlicher Kompromisse zwischen Urlaubskasse und Eames Chairs, wird durch diesen Tsunami empfindlich gestört.
Es sei denn natürlich, man hatte vorher schon ein Faible für alles was glitzert, Krach macht oder mit einer völlig abwegigen Farbe ausgestattet ist.
Daneben gibt es noch eine besonders ausgesuchte Steigerungsform: das pädagogisch wertvolle Spielzeug, welches sich harmonisch in den bildungsbürgerlichen Haushalt einfügt.
Da trifft Holz auf Holz- selbstverständlich Fair trade! Und der kleine Finn-Luka wird dabei natürlich auch noch in seiner geistigen, motorischen und sprachlichen Entwicklung gefördert.

Das Schöne an all diesen Sachen ist aber, dass man sie einfach und schmerzfrei entsorgen kann.
Keine Bange- Nachschub kommt ungefragt und von alleine.

Eine perfidere Variante sind selbstgemachte Sachen. Entweder das Zeug von der Cousine 2. Grades mit dem Heissklebepistolenfimmel, oder auch gerade aktuell: Selbstgenähtes.
Wobei einem da Auge und Hirn bluten, wenn man hört wie viele Frauen postpartal die Liebe zur Nähmaschine entdecken und meinen daraus - ohne Businessplan- ihren Lebensunterhalt bei Dawanda zu erwirtschaften. Dazu kann man nur sagen: Mädels, näht euch bitte mal ein ganz kleines Portemonnaie. Da passt, neben aktuellen Verdienst, nämlich später auch noch eure Rente rein.

Jedenfalls. Selbstgebasteltes ist so verdammt schwer loszuwerden. Schließlich hat der Schenker nicht nur Zeit und Geld aufgewendet, sondern auch noch Mühe und sein handwerkliches Geschick, soweit vorhanden, unter Beweis gestellt. Alleine dafür müsste man ihn eigentlich küssen, anstatt sich zu überlegen, was man denn nun genau mit einem 'Labeltuch' anfängt, ob es schlimm ist, dass der selbstgenähte und sehr eigenwillig gestaltete Clown, unter Freunden nur noch als 'Chucky die Mörderpuppe' bekannt ist, und das aus dem Riesenkuscheltier am Po die Holzwolle entweicht.

Aber die aller, allerschlimmste Variante sind natürlich die Geschenke, die man selber gebastelt hat.
Verträumt hat man sich ausgemalt, wie das eigene Kind wahlweise in einen Freudentanz ausbricht oder vor Verzückung eine stille Träne verdrückt, wenn man ihm, das selbstgenähte T- Shirt, den selbstgezimmerten Einkaufsladen oder auch gerne genommen: das komplett mit Liebe ausgestattete Zimmer, unter die kleine Nase hält.

Noch Jahre später wird es davon berichten, wie wundervoll die eigenen Eltern basteln konnten, wie selbstlos sie sich durch ganze Nächte genäht und gezimmert haben. Für dieses Geschenk.
Dieses eine wunderbare Geschenk. Welches natürlich auch später noch die Enkel kriegen werden. Und die Urenkel. Und wie es noch Generationen später, als leuchtendes Mahnmal für alle anderen Eltern, auf dem Familienaltar prunken wird.
Freunde und Fremde werden einen ansprechen, ob der schönen Farben, der außergewöhnlichen Formen und der gelungenen Motive, sowie natürlich, bei genähtem, der hervorragenden Passform.

Der Moment der Geschenkübergabe wird mit schwitzigen Händen und einem erwartungsvoll klopfenden Hasenherz absolviert.

Normalerweise hüllt der Beschenkte seinen überbordenen Dank ob des Geschenks, in folgende Worte:

Es hat die falsche Farbe.
Es hat die falsche Form.
Es hat kein Glitzer.
Es hat zu viel Glitzer.

Das Motiv wird als völlig abwegig bewertet und nur noch einer Lumpenpuppe würdig.
Der Beschenkte ist, nach eigener Aussage, dem dargebotenen Geschenk schon lange entwachsen, wenn nicht körperlich, dann doch mindestens intellektuell.

Kurzum, es wird rundheraus abgelehnt, dass mit Liebe produzierte Einzelstück weiter anzuschauen oder über den Körper zu streifen, was den Beschenkten aber natürlich nicht von der, anscheinend zwanghaft gestellten, Frage abhält:
'Wo sind denn die anderen Geschenke- war das schon alles?'

Es ist grauenvoll und stellt das eigene Selbstbewusstsein doch auf eine harte Probe.
Letzten Endes sagt man sich, dass man Kunst ja immer in erster Linie für sich selbst und erst im zweiten Augenblick für den Rezipienten macht.
Dann geht's eigentlich.

Wobei man sich bei mehreren Kindern dann auch durchaus denkt: Macht nix. Kriegt's halt dein kleiner Bruder.
Oder halt- viel besser: ich verschenk's.

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