Mom's Jeans

By Stadtsalat - december 15, 2017

Vor einigen Jahren besuchten mich meine Eltern in den Niederlanden, und nächtigten aus diesem Anlass in einem Hotel der gehobenen Kategorie unweit meines studentischen WG-Zimmers.
Wir hatten uns im Hotel zum Frühstück verabredet und da mein Fahrrad leider kein Dach hatte, wurde ich auf der Hinfahrt durch den zeitgleich stattfindenden Platzregen entsprechend nass.

Mensch, war das ein tolles Gefühl so durch die Lobby zu schreiten. Die Spur, die ich hinter mir her zog, war schon fast eine Furt. Aber Rettung war glücklicherweise nicht fern und ich wurde sogleich von jemanden aus den Fluten gezogen.
Nämlich von:
meiner Mutter.
Diese enorm pragmatische Frau war natürlich für alle Situation vorbereitet, die einen ereilen könnten, wenn man seine Nachkommen im Studium besucht. Und hatte eine Hose für mich dabei.

Was für eine Freude. Was für eine patente Frau. Und wie groß und unwahrscheinlich schön war die Freude, als sich herausstellte, dass diese wundervolle Hose nicht nur trocken, sondern auch etwas groß war.

Hatte ich etwa durch meinen kargen Lebenstil unbewusst an einem schlankeren Erscheinungbild gearbeitet? Mir war nicht bewusst, dass Bier und Ravioli eine derart positive Wirkung auf den BMI haben könnten. Im Geiste war die Weltkarriere, dank neu entdeckter Wunderdiät, eigentlich nur noch eine Frage der Details, als ich unvermuteter Weise in die Nähe eines Spiegels geriet.

Und die Weltkarriere lag in Trümmern, bevor sie startete. Denn dieses einzigartig figur- umspielende Gewand war die Hose: meiner Mutter.

Damit wir uns an dieser Stelle richtig verstehen. Meine Mutter hat eine Topfigur. Und da wir ähnlich groß sind, gab es auch längenmässig nicht viel Probleme. Lediglich das ein oder andere Modejahrzehnt, sowie grundsätzlich unterschiedliche Stile, stellten mich vor die schöne Aufgabe dieses Teil möglichst selbstbewusst zu tragen.

Statt 'Dark Blue Low Rise Boot leg', trug ich das Model Mutti Stonewashed mit hoher Hüfte und geradem Bein.

Kurzfristig überlegte ich, ob meine eigene Hosen tatsächlich unbrauchbar nass oder nur ein wenig feucht wäre. Aber auch die großzügigste Evaluierung fiel durchweg negativ aus.

Ich muss sagen, ich bin daran gewachsen. Unerschrocken habe ich das Frühstück, welches leider aus einem Büfett- also mehrmaligen Durchqueren des gesamten Raumes- bestand, hinter mich gebracht.

Heute wache ich nur noch selten schweißgetränkt davon auf.

Ich würde sagen, ich habe es fast überwunden.

Denn heute kam sie an. Ein wildschellender Postmann brachte mir heute Abend mein Paket. Mit meiner ersten eigenen höchstpersönlichen Mom's Jeans. Mit hohen Bund und gerade Bein.

Zum Glück ist sie eng, aber das ist auch fast alles was ich darüber sagen kann. Denn ich fühle die Flashbacks kommen. Ein unbezwingbaren Drang nach frischen Croissant und einem hart gekochtem Ei.
Kleiner Scherz.
Ich bin erstaunt, wie ähnlich ich meiner eigenen Mutter bin. Zum Glück ist sie eine pragmatische Frau. Das bin ich auch.
Fakt ist einfach, dass ich mittlerweile so alt bin, dass Sachen, die meine Mutter und Millionen andere Frauen vor 25- 30 Jahren getragen haben- und daher für meine Generation untragbar waren- mittlerweile von Menschen die jünger sind als ich, als der letzte heiße Scheiß identifiziert worden sind.

Wenn ich mich also nicht als totale Torfnase outen möchte, muss ich anscheinend den Modestil von Frauen in den 80' und 90' aufgreifen. Ich sag mal so: eine kleine Herausforderung.
Glücklicherweise wurde ich ja schon in meiner Studienzeit dahingehen gestählt.

Ob die Jeans bei mir bleibt, und ob es jetzt nur noch Frühstück bei uns gibt, werde ich mir noch überlegen müssen.
Auf der anderen Seite: es kann doch nicht sein, dass meine Mutter modischer ist als ich!












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